Stellungnahme des Fraktionsvorsitzenden der Fraktion „Freie Wähler – Bürger für Bürger“ über die Berichte zur Finanzsituation in Löhnberg

Mit großen Interesse habe ich die Presse-Veröffentlichungen vom Hessischen Rundfunk „Gemeinde Löhnberg ist zahlungsunfähig“ und im Weilburger Tageblatt „Löhnberg vor der Zahlungsunfähigkeit“ gelesen. Man bezieht sich auf die jüngste Sitzung der Gemeindevertretung Löhnberg vom Donnerstag, den 23. Mai 2024 im Bürgerhaus „Löhnberger Lilie“.

In beiden Berichten beziehen sich die jeweiligen Redakteure unter anderem auf Aussagen des derzeitigen “Stellvertreters des Stellvertreters” von Bürgermeister Frank Schmidt (SPD). Meine Fraktion und ich sehen hier jedoch einigen Klärungsbedarf. So behauptet Herr Ulrich Reichard (SPD) laut diesen Berichten, dass er erst seit Mitte Mai von den Problemen Kenntnis habe. Diese Behauptung von Herrn Ulrich Reichard (SPD) kann jedoch nicht unkommentiert bleiben.

Als Parteifreund des Bürgermeisters sitzt Herr Ulrich Reichard seit 3 Jahren für die SPD im Gemeindevorstand. In dieser Zeit wurde der gesamte Gemeindevorstand mehrfach von unserem Vorstandsmitglied Herrn Alexander Pfeiffer (Freie Wähler – Bürger für Bürger) nachweislich schriftlich über die desolate Haushaltssituation informiert.

Zur Historie:

Bereits im Jahr 2019 hatte der Landesrechnungshof in seinem Kommunalbericht auf die desolate finanzielle Situation der Gemeinde Löhnberg hingewiesen. Auch der Hessische Rundfunk (HR) hat seinerzeit ausführlich in der Hessenschau darüber berichtet. Bereits damals schrillten bei uns die Alarmglocken, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Es wurde uns Bürgern immer erklärt, dass Löhnberg spitzenmäßig da steht.

Der Bürgermeister präsentierte Haushaltspläne, die positive Ergebnisse aufwiesen. Aufgrund dieser Zahlenwerke, die von mir im letzten Jahr als “Phantasiezahlen” bezeichnetet wurden, sind die Haushalte Jahr für Jahr von den Aufsichtsbehörden genehmigt worden. Offenbar wurden diese Zahlen jedoch nie überprüft.

Die tatsächlichen Ergebnisse der Haushaltsjahre erwiesen sich als deutlich schlechter als erwartet. So wandelte sich beispielsweise ein prognostizierter Überschuss von ca. 1 Mio. € plötzlich in ein Defizit von ca. 1 Mio. €.

Trotz dieser Entwicklungen wurden weiterhin zahlreiche äußerst kostspielige “Leuchtturmprojekte” initiiert und auch umgesetzt, die teils Millioneninvestitionen erforderten. Die Finanzierung erfolgte dabei fast ausschließlich durch neue Kreditaufnahmen.

Wir haben uns immer gefragt, wie so etwas möglich ist und finanziert werden kann. Jahresabschlüsse, die eigentlich für die Genehmigung des Haushaltsplans nötig sind wurden von Bürgermeister Frank Schmidt (SPD) nur äußerst zögerlich und viel zu spät erstellt, wenn überhaupt. Auch die Kontrollbehörden haben nach eigenen Angaben diese Praktiken mehrfach beanstandet, konnten jedoch offenbar nichts dagegen unternehmen. Teilweise hieß es: “Wir sind ein zahnloser Tiger und haben keine Handhabe dagegen.”

Als der oben erwähnte Kommunalbericht des Landesrechnungshofes in einer Pressemitteilung veröffentlicht wurde und auch die Hessenschau darüber berichtete, sahen sich einige engagierte und motivierte Bürger von Löhnberg dazu veranlasst, nach einer Pause mit einem neuen Team im Rahmen der Wählervereinigung „Freie Wähler – Bürger für Bürger e.V.“ zur Kommunalwahl 2021 wieder anzutreten.

Das erreichte Wahlergebnis von über 40% war für uns überwältigend.

Seit der konstituierenden Sitzung im Mai 2021 haben wir uns als „politische Neulinge“ systematisch in die Thematik eingearbeitet. Dies war aufgrund der in Löhnberg vorherrschenden Konstellation alles andere als einfach. Von Anfang an wurden uns nur Steine in den Weg gelegt, und wir mussten uns alle Informationen mühsam und umständlich erkämpfen.

Trotz mehrfacher Versuche erhielten wir von Bürgermeister Frank Schmidt (SPD) keinerlei Informationen zur aktuellen Finanzlage. Unsere Anfragen, die wir beispielsweise in der Gemeindevertretersitzung im November 2023 an den Bürgermeister richteten, wurden einfach nicht beantwortet, obwohl er laut hessischer Gemeindeordnung (HGO) dazu verpflichtet ist. Die Mehrheitsfraktionen aus SPD und CDU beschlossen, dass die Fragen in einer Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 17. Januar 2024 beantwortet werden sollten. Trotz meiner mehrfachen Nachfragen Anfang Januar sowohl an den Bürgermeister Frank Schmidt (SPD), als auch an den Vorsitzenden der Gemeindevertretung Thomas Zipp (SPD), ob diese Sitzung überhaupt stattfinden würde, erhielt ich von beiden keine Antwort. Es erfolgte auch keine Einladung zu den angekündigten Sitzungen.

Dies führte dazu, dass meine Fraktion am 31. Januar 2024 einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Wiesbaden stellte. Das Gericht verpflichtete den Bürgermeister per Beschluss, die 10 Fragen in der Sitzung der Gemeindevertretung am 7. März 2024 zu beantworten. Da der Bürgermeister dies entweder nicht oder nur unzureichend tat, was das Gericht bestätigte, wurde die Angelegenheit weiterverfolgt und eine Vollstreckung mit Fristsetzung beim Gericht erwirkt.

Bis Ende April 2024 war die abschließende Beantwortung der 10 Fragen aus dem November 2023 immer noch ausstehend, als sich Bürgermeister Frank Schmidt (SPD) am 25. April 2024 kurzfristig und bis auf weiteres krank meldete.

Die Beantwortung der letzten noch ausstehenden Frage wurde dann schließlich in einer Gemeindevorstandsitzung am 15. Mai 2024 beschlossen.

Die Art und Weise, wie es zu dieser Gemeindevorstandsitzung und dem Beschluss kam, war auch äußerst dubios. Der Bürgermeister Frank Schmidt war bereits seit 25. April 2024 im Krankenstand und sein Vertreter, der erste Beigeordnete, Herr Udo Jung (SPD), befand sich im Ausland in Urlaub. Es gab auch keine beschlossene Vertretungsregelung im Gemeindevorstand, wie es die hessische Gemeindeordnung (HGO) eigentlich vorsieht.

Offensichtlich sah sich Herr Ulrich Reichard (SPD), einer der verbliebenen fünf Mitglieder des Gemeindevorstands, aus eigenem Antrieb dazu veranlasst, einzuspringen. Meinen Informationen nach begab er sich ins Rathaus, führte Gespräche, gab Anweisungen und soll auch verschiedene Schriftstücke unterzeichnet haben. Es wurde scheinbar kein weiteres Gemeindevorstandsmitglied über diese Handlungen informiert. Jedenfalls lag den beiden Gemeindevorständen meiner Fraktion „Freie Wähler – Bürger für Bürger“ keine Information darüber vor.

Zwischenzeitlich trat Herr Udo Jung (SPD) am 20. Mai 2024 mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Erster Beigeordneter und stellvertretender Bürgermeister zurück.

Erst am Abend des 15. Mai 2024 wurde dann auf Hinwirken der Kommunalaufsicht in Limburg eine offizielle Vertretungsregelung im Gemeindevorstand beschlossen und Herr Ulrich Reichard (SPD) zum ersten Stellvertreter des ersten Beigeordneten gewählt.

Seltsamerweise wurde dem Verwaltungsgericht die Information zur Beantwortung der ausstehenden Fragen bereits am 13. Mai 2024 vom Rechtsvertreter der Gemeinde Löhnberg, dem Hessischen Städte- und Gemeindebund (HSGB), in exakt gleichem Wortlaut mitgeteilt – also zwei Tage vor dem Beschluss im Gemeindevorstand. Ist schon eigenartig, wie das möglich ist.

Auf meine Rückfrage in der Sitzung der Gemeindevertretung am Donnerstag, den 23. Mai 2024, warum dies so geschehen konnte, hat Herr Ulrich Reichard (SPD) ziemlich herumgestottert und keine Erklärung dafür geliefert. Daher frage ich mich, ob er im Rahmen seiner eigenmächtigen Vertretungsübernahme ohne Beschluss des Gemeindevorstandes dies bereits im Voraus veranlasst hat. Das ist alles sehr merkwürdig!

Da die Finanzsituation auch in den letzten Jahren ziemlich angespannt war, wurden seitens des Regierungspräsidiums als Aufsichtsbehörde in den letzten Jahren Haushaltsbegleitverfügungen zur Haushaltsgenehmigung verfasst. Wir mussten diese Haushaltsbegleitverfügungen des Regierungspräsidiums nach intensiven Bemühungen direkt beim Regierungspräsidium Gießen anfordern, da wir sie trotz mehrfacher Aufforderung an den Bürgermeister nicht von ihm erhalten haben.

Laut Anweisung des Regierungspräsidiums sollten diese Verfügungen der Gemeindevertretung in vollem Wortlaut vorgetragen werden. Doch dies geschah nicht. Erst nachdem wir diese Zurückhaltung öffentlich kritisiert hatten, wurden die Texte der Verfügungen des Regierungspräsidiums mit Verzögerung und nur auszugsweise in den Sitzungen der Gemeindevertretung vom Bürgermeister vorgetragen – auf seine für ihn typische Weise: leise, sehr schnell und teils unverständlich.

Auch Herr Ulrich Reichard (SPD) hat dies seinerzeit selbstverständlich vollständig mitbekommen. Wir haben damals dafür gesorgt, dass diese Haushaltsbegleitverfügung allen Mandatsträgern in Kopie zur umfassenden Information zugestellt wurde.

Soweit mir bekannt ist, hat Herr Ulrich Reichard (SPD) allen Mehrheitsentscheidungen im Gemeindevorstand ausnahmslos zugestimmt. Wenn er nun behauptet, er habe von all dem nichts gewusst, weiß ich nicht, wie ich das nennen soll, aber es entspricht jedenfalls nicht unbedingt der Wahrheit.

Daher betrachten sowohl meine Fraktion, als auch ich alle aktuellen Aussagen von Herrn Ulrich Reichard (SPD) in seiner Rolle als „Stellvertreter des Stellvertreters vom Bürgermeister“ mit großer Skepsis.

Carsten Kaps

Fraktionsvorsitzender
Freie Wähler – Bürger für Bürger e.V.

 

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